Rund 130 Kilometer nordwestlich von Dijon gelegen, gehören die Weinberge von Chablis zur Weinregion Burgund. Hier wird beinahe ausschließlich Chardonnay angebaut. Weinbau findet in der Region Chablis jedoch unter besonderen Umständen statt. Im Winter kann es hier so kalt werden, dass Öfen in den Weinbergen aufgestellt werden, um die Reben vor dem Erfrieren zu schützen. Die häufig auftretenden Spätfröste treiben die ortsansässigen Winzer regelmäßig in den Rand der Verzweiflung.
Besonders sind auch die Böden von Chablis. Sie bestehen aus einem einzigartigen Kalkstein, der sich über Jahrmillionen aus den Überresten unzähliger fossiler Schalentiere geformt sich beckenförmig abgelagert hat. Chablis liegt am südöstlichen Rand dieses riesigen Beckens. Erstmals entdeckt wurden die besonderen Kalksteinformationen an dessen nördlichem Rand, in der Nähe des englischen Dorfes Kimmeridge, in der Grafschaft Dorset. Der Kimmeridge-Kalk verleiht den Weinen von Chablis einen besonders mineralischen Charakter.
Ähnlich wie die Weine der berühmten Côte d’Or sind auch die Chardonnays aus Chablis weltweit gesucht und genießen hohes Renommee. Entsprechend teuer und begehrt sind folglich die Weinberge innerhalb der AOC und insbesondere in und um die sieben Grand Cru Lagen. Für junge Winzer, die gerade anfangen, eigene Weine zu produzieren, ist es enorm schwierig, hier Parzellen zu erwerben.

Alice und Olivier De Moor haben sich in einem der ortansässigen Weingüter kennengelernt. Beide haben Önologie studiert und sich nach Abschluss ihres Studiums ihren Lebensunterhalt als Angestellte auf einem Weingut verdient. Ihr Ziel war es dabei von Anfang an, eigene Weine zu produzieren. Glücklicherweise befanden sich bereits seit Generationen im Besitz von Oliviers Familie Pflanzrechte sowie einige brachliegende Parzellen. Die meisten von ihnen jedoch nicht im unmittelbaren Kerngebiet von Chablis, sondern etwas weiter abseits nahe Courgis, dem Heimatort der Familie. Dieser vermeintliche Standortnachteil stellte sich schnell als Vorteil heraus, da die beiden bei der Wahl der Stecklinge ideal auf die jeweiligen Böden und Mikroklimaten eingehen konnten. Nachdem 1989 die ersten Reben auf dem Land von Oliviers Familie gepflanzt wurden, brachten sie 1994 ihre ersten Weine auf die Flasche.
Zunächst betrieben beide den Weinbau im gemeinschaftlichen Nebenerwerb, bis sie 1998 beschlossen, Vollerwerbswinzer zu werden. Seither bewirtschaften Alice und Olivier gut 7 ha Rebflächen in 10 verschiedenen Parzellen rund um Courgis und Chablis. Die Domaine de Moor befindet sich heute auf einem Grundstück hinter dem Haus von Oliviers Großeltern. Der Fasskeller liegt nach wie vor direkt unter dem Haus.
Die Hänge rund um Courgis sind nicht so dicht mit Reben bepflanzt wie in der Nachbarregion Chablis. Es geht hier folglich weniger monokulturell zu. Hie und da mischt sich ein Obstbaum, ein Busch oder gar eine Wiese mit Wildkräutern unter die Weinberge. Einige berühmte Chablis Premiere-Cru-Lagen wie Fôrets und Butteaux liegen nicht weit von Alices und Oliviers Parzellen entfernt. Im südwestlich von Courgis gelegenen Chitry ist die Weinbergsdichte nochmal geringer. Zwischen den Weingärten befinden sich hier kleine Waldstücke, Obstbaumplantagen oder dichte Büsche und Hecken. Dies bietet ein ideales Umfeld für intaktes mikroorganisches Leben und Biodiversität, perfekte Voraussetzungen für einen möglichst naturnahen Weinbau. Nichtsdestotrotz galten die De Moors zu Beginn der 1990er Jahre in der Region als Pioniere des naturnahen Weinbaus. Indem sie Obstbäume pflanzten und einen intensiven Bodenbewuchs zulassen, pflegten sie frühzeitig und aktiv die Balance von Nützlingen und Schädlingen. Bis heute halten sie diese Mischkultur aufrecht. Seit jeher setzen sie in ihren Weingärten weder chemische Hilfsmittel, noch synthetische Dünger ein. Auch im Keller wird so wenig wie möglich und ausschließlich mit natürlichen Mitteln interveniert.
Zur Gewährleistung einer guten Durchlüftung der Weinberge wählte Olivier einen für die Region relativ weiten durchschnittlichen Pflanzabstand von rund 1,2m. Die traditionell sehr niedrige Erziehungsweise der Reben passt Olivier an den jeweiligen Jahrgang an. Einige ihrer Weinberge – insbesondere die steileren, wie beispielsweise Rosette – bearbeiten die De Moors mit dem Pferdepflug. Rosette war der erste Weinberg, den die De Moors auf dem Land von Oliviers Familie anlegten und liegt nahe dem Weingut in Courgis. Darüber hinaus bewirtschaften sie auch einen Weinberg in St. Bris sowie eine Parzelle mit uralten Aligoté-Reben, die 1902 gepflanzt wurden.
Geerntet wird stets von Hand. Hierbei bekommen die De Moors jedes Jahr Unterstützung von durchschnittlich 15 Erntehelfern. Nach der Lese werden die ganzen Trauben sofort und besonders schonend in einer modernen pneumatischen Presse gepresst (pressurage directe). Der Pressvorgang dauert insgesamt etwa 2 Stunden. Alice und Olivier geben grundsätzlich keinen SO2 auf den frischen Most. Nach kurzer Zeit nimmt der Most daher eine bräunliche Färbung an, ein Zeichen der Oxigenierung der besonders reaktiven Bestandteile des Mosts. Dies sorgt später für eine größere Stabilität des Weins.
Im Anschluss an die débourbage (das Absetzenlassen der Trubstoffe) erfolgt die spontane Fermentation des Mostes durch wilde Hefen. Die Gärung und der später erfolgende biologische Säureabbau finden bei den Chardonnay-Weinen in pièces aus französischer Eiche statt. Die Aligotés gären und reifen zunächst in Edelstahl- und GfK-Tanks. Die meisten Weine des Hauses verbringen mindestens 11 Monate in überwiegend gebrauchten 228L-Holzfässern, die gesamte Zeit über auf der Vollhefe. Vor der Abfüllung werden sie weder geschönt, noch filtriert oder anderwärtig behandelt. Alice und Olivier geben ihren Weinen bei der Füllung – je nach Bedarf – maximal 30 mg/L SO2 zu. Da sie teilweise mit Botrytis-befallenen Trauben arbeiten, ist die Zugabe von Kleinstmengen an Sulfiten manchmal unumgänglich.
Laut eigener Darstellung steckte das Weinjahr 2016 für die beiden voller Herausforderungen. Alice und Olivier hatten insbesondere mit einer schwierigen Blütephase und dementsprechend inhomogenem Traubenmaterial zu kämpfen. Eine relativ rigorose grüne Lese war erforderlich, was in einem mengenmäßig eher kleinen Jahrgang resultierte. Das, was sie auf die Flasche brachten, hat es allerdings in sich!