Das Aveyron ist eine Landschaft von rauer Schönheit. Gelegen auf einer zerklüfteten Hochebene an den südlichen Ausläufern des Massif Central ist es seit jeher ein relativ schwer zugänglicher Teil Frankreichs. Nicht weiter verwunderlich also, dass es noch heute die am spärlichsten besiedelte Region des ganzen Landes ist. Die Leute hier sind an Entbehrungen gewöhnt. Ihr Leben war niemals einfach. Viele zog es schon vor Generationen nach Paris. Diejenigen, die geblieben sind oder zurückkommen ziehen ihre Kraft aus der Landschaft, die sie umgibt. Eine Landschaft vulkanischen Ursprungs.
Nicolas Carmarans ist ein solcher „Rückkehrer“. Er stammt aus einer sogenannten bougnat-Familie. Dies sind Aveyronnais, die es als Kohlehändler und spätere Café-Besitzer nach Paris zog. Nicolas Urgroßvater war Winzer und bewirtschaftete rund um das Örtchen Campouriez eine Reihe von Weinbergen. Sein Vater beschloss dann, dem Weinbau den Rücken zu kehren und nach Paris zu gehen. Nachdem die schweren Fröste des Jahres 1956 das Aveyron besonders hart trafen, taten es ihm die meisten Winzer der Pays d’Entraygues gleich.
Vor der Reblaus-Katastrophe wurden hier über 1000 ha Reben kultiviert. Heute sind es hingegen nur noch 19 ha. Die Weingärten befinden sich auf durchschnittlich rund 500m Höhe, an schroffen Hängen, die vom Fluss Truyère und seinen zahlreichen kleinen Nebenflüssen aus den sandigen Granitböden des Plateaus herausgewaschen wurden. Die dichten Wälder der Region haben sich einen Großteil der einstigen Weinberge zurückgeholt. Weinbau findet heute nur noch auf vereinzelten kleinen Parzellen statt.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden in der Region vermehrt Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon angebaut. Dafür mussten heimische Rebsorten wie die Fer Servadou (auch Braucol genannt) weichen. Und das, obwohl sie deutlich besser mit den rauen klimatischen Bedingungen klarkommen.
Rund um das Jahr 1000 waren es die Mönche von Cluny, die den Weinbau in das Aveyron brachten. Sie brachten dabei die ursprünglich aus dem Madiran stammende Rebsorte Fer Servadou mit. Fer ist gemeinsam mit der baskischen Rebsorte Hondarribi Beltza (Txakoli) Elternrebe des Trousseau (auch Gros Cabernet genannt). Jüngste Untersuchungen konnten Fer Servadou der Cabernet-Familie zuordnen. Neben ihr gibt es im Aveyron noch eine ganze Reihe anderer autochthoner Rebsorten, die allerdings weitestgehend im Verschwinden begriffen sind.
Nicolas hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Teil dieser alten Rebsorten des Aveyron zu bewahren. 1994 eröffnete er in Paris nahe dem Panthéon die berühmte Weinbar Café de la Nouvelle Mairie. Noch heute ist die Nouvelle Mairie einer der Anlaufpunkte für Liebhaber des vin naturel in Paris. Carmarans begann sich 2002 schrittweise aus dem Geschäft zurückzuziehen. Damals konnte er eine 30 Ar große Parzelle nahe Campouriez von einer älteren Dame übernehmen. Diese verkaufte ihm auch sein heutiges Gutshaus im Ortsteil Le Bruel.
In den Folgejahren konnte er seine Rebfläche in die Lage Mauvais Temps weiter ausweiten. Ihr Name erinnert an den Totalverlust und die wirtschaftlichen Folgen des harten Frostes von 1956. Sie liegt in unmittelbarer Nähe zu Nicolas Weingut. Nachdem er sich 2007 endgültig aus der Weinbar zurückgezogen und vollends auf den Weinbau konzentriert hatte, fügte Carmarans gezielt einige kleinere vielversprechende Parzellen zu seinem heute 3,3 ha umfassenden Weingut hinzu.
Mauvais Temps ist überwiegend mit Fer Servadou bestockt. Die Reben hier sind zwischen 25 und 50 Jahren alt. Vor dem großen Frost von 1956 umfasste die Lage insgesamt knapp 20 ha. Heute ist Nicolas 2 ha große Parzelle der letzte verbleibende Teil, der noch bewirtschaftet wird. Die übrigen Parzellen der Domaine sind größtenteils mit nahezu verschwundenen Rebsorten wie Negrette de Banhars (benannt nach dem Nachbarort von Campouriez) oder Rousselou (auch als Sainte-Côme bekannt) bestockt. Von beiden Sorten existieren jeweils nur noch gut 2 ha Gesamtrebfläche. Hinzu kommt noch ein Weinberg in Pacht, der ebenfalls mit Fer Servadou bestockt ist. Hier entstehen die Trauben für den bekanntesten Wein der Domaine L’Olto. Für die Erzeugung seines Weißweins fokussiert sich Carmarans auf Chenin Blanc. Auch sie blickt in der Region auf eine über 300 jährige Geschichte zurück. Nicolas kleine Parzelle liegt an einem extrem steilen Hang oberhalb des Flüsschens Selves, dessen Namen der hier entstehende Wein trägt.
Generell weisen Nicolas Weinberge einen enorm hohen Anteil an alten Reben auf. Dies ist nicht zuletzt der Grund dafür, dass er stets niedrige Hektarerträge einfährt. Die dichte Bewaldung rund um seine isolierten Weingärten trägt zur Stärkung der Biodiversität und des natürlichen Gleichgewichts bei. Gemeinsam mit einem benachbarten Landwirt und Imker erarbeitete Carmarans zudem ein Konzept zur möglichst naturnahen Bewirtschaftung seiner Weingärten. So verzichtet Nicolas gänzlich auf Herbizide, Pestizide, Fungizide sowie synthetische Dünger. Die Weinbergsböden bearbeitet er regelmäßig mit einem leichten motorisierten Pflug.
Die Reben wachsen in traditioneller Pfahlerziehung. Die besonders steilen Weingärten oberhalb des Selves sind quer terrassiert. Klar, dass bei derart viel Aufwand zur Pflege der Pflanzen auch die Ernte mit großer Sorgfalt und rein manuell erfolgt.
Unmittelbar nach der Lese werden die ganzen Trauben in kleinen Kisten in das nahe Weingut transportiert. Während die weißen Trauben direkt und besonders schonend gepresst werden und anschließend eine mehrstündige débourbage durchlaufen, maischt Nicolas seine Rotweine zunächst in offenen Grenier-Bottichen ein. Die anschließende Gärung erfolgt spontan. Während dieser Zeit versorgt Carmarans die Weine mit ausreichend Sauerstoff. Auf diese Weise möchte er das Wachstum der Hefepopulationen unterstützen. Nach Abschluss der Gärung werden sämtliche Weine in gebrauchten pièces ausgebaut. Diese bezieht er von vin naturel-Legende Philippe Pacalet aus dem Burgund. Nicolas setzt seinen Weinen weder vor, noch nach der Gärung jemals Schwefel zu. Lediglich vor der Abfüllung behält er sich vor, wenn nötig 1g/hl SO2 zur Stabilisierung zuzusetzen.
L’Olto ist ein reinrebsortiger Fer Servadou und stammt aus einer Parzelle unweit des Mauvais Temps. Hier wachsen rund 35 Jahre alte Reben aus einer selection massale. Nach der Ernte durchlaufen die ganzen Trauben eine maceration semi-carbonique. Anschließend erfolgt ein bis zu 12-monatiger Ausbau in pièces. Nicolas füllt einen Teil der L’Olto-Charge für ein paar ausgesuchte Händler in Paris bereits en primeur ab. Dieser verkaufen den Wein dann unter dem Namen Minimus.
Im selben Weingarten entsteht auch Maximus, der rote Spitzenwein der Domaine. Auch dieser Wein besteht zu 100% aus Fer Servadou. Die Trauben stammen von über 50 Jahre alten Reben. Nach der maceration semi-carbonique wird auch dieser Wein über ein Jahr in gebrauchten pièces ausgebaut.
Mauvais Temps hingegen ist immer eine Cuvée aus 50% Fer Servadou, 40% Negrette de Banhars und 10% Cabernet Franc. Die Reben hier sind im Durchschnitt 50 Jahre alt. Auch hier werden die Trauben ausschließlich per Hand gelesen. Vor der maceration semi-cabronique maischt Carmarans die Trauben in einem Grenier-Bottich ein. Dafür bricht er einen kleinen Anteil mit den Füßen auf. Der Rest der Trauben bleibt intakt. Nach rund 20 Tagen ist die Gärung abgeschlossen und der Wein wird ebenfalls für 12 Monate in pièces ausgebaut.
Neu im Portfolio ist zudem der Fer de Sang. Auch hierbei handelt es sich um einen reinrebsortigen Fer Servadou aus über 100 Jahre alten Reben. Deren Trauben kauft Nicolas von einem befreundeten naturnah arbeitenden Winzer zu. Der Wein wird auf die gleiche Weise vinifiziert wie L’Olto, Maximus und Mauvais Temps.